Liebe Gemeinde,
heute betrachten wir einen der bekanntesten Texte, der dem Christentum zu Grunde liegt. Wir hören die 10 Gebote, so wie sie im Alten Testament überliefert wurden. Jeder hat sie schon einmal gehört; viele mussten sie schon auswendig lernen. Martin Luther schrieb ein Katechismus-Lied dazu:
Katechismus- was heißt das- werde ich oft gefragt. Spätestens, wenn ich den ersten Jahrgang der zu konfirmierenden Jugendlichen „Katechumenen“ nenne. Im ersten Jahr nenne ich Euch: Katechumenen, im zweiten Jahr: Konfirmanden, und nach der Konfirmation: Konfirmierte. Woher kommt dieses Wort? Das griechische Verb κατηχεĩν bedeutet wörtlich „von oben herab tönen“. Davon leitet sich „unterrichten“ ab. Ihr seid also die Unterrichteten.
Schauen wir uns Martin Luthers Katechismus-Lied genauer an: Es gibt 3 Rahmenstrophen; sie erzählen vom rechten Verständnis der 10 Gebote. Strophe 1 besagt: Gott selbst hat die Gebote eingesetzt. Sie sind heilig und gleichzeitig eine Gabe an uns, die es gilt zu bewahren und dankbar anzunehmen. Strophe 11 sagt: Es gibt zwei Gebrauchsweisen für jedes Gebot: jedes Gebot führt uns Menschen unser Dasein als Sünder vor Augen und jedes Gebot ist gleichzeitig eine Lebensanleitung, wie man vor Gott leben soll. Strophe 12 lautet: Wir Menschen wissen, dass wir nicht allein aus uns selbst heraus die Gebote ständig achten können. Wir erbitten Gottes Hilfe durch seinen Sohn Jesus Christus. Wir dürfen unseren Blick auf einen Mittler richten, Jesus Christus. Ihn rufen wir in jeder Strophe mit dem „Kyrie eleis“ um Hilfe, dass uns die Gebote zum Leben dienen.
Lassen Sie uns diese Strophen singen: Strophe 1,11 und 12.
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Die inneren Strophen 2-10 beinhalten die einzelnen Gebote in Reimform. Sie sind meist so angeordnet: im ersten Teil der Strophe wird das biblische Gebot nachgesprochen. Beispiel Strophe 2: „Ich bin allein dein Gott, der Herr, kein Götter sollst du haben mehr.“ Dann wir die Reichweite dieses Gebotes für unser Leben abgesteckt; hier in Strophe 2 heißt es: wir sollen ihn „von Herzensgrund lieben“. Das bedeutet, wir sollen Gott von Herzen trauen und an ihn glauben. Mir fällt da der bekannte Spruch Luthers ein: „Worauf du dein Herz hängst und verlässt, das ist dein Gott.“
In Strophe 3 heißt es: „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht mißbrauchen!“ Luther erweitert die Vorstellung, dass wir gedankenlos von Gott Reden oder ihm lästern, und verschärft sie. Wir sollen uns nicht eigenmächtig gegen die Beurteilungen stellen, die Gott in seinem Wort vornimmt. Uns Menschen gebührt es nicht, Gottes Wort zu verurteilen.
Strophe 4 besagt: „Du sollst am Sabbat, (für uns wird stillschweigend der Sonntag angenommen), mit der ganzen Familie ruhen.“ Das heißt nicht nur: nichts Tun und ausspannen. Dieses Gebot fordert uns gleichsam auf, Raum zu schaffen für Gottes Werk.
Lassen sie uns die Strophen 2,3, und 4 singen.
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Ich möchte in den folgenden Strophen einige Besonderheiten der Zeit anmerken: In Strophe 5 stehen für Martin Luther die Eltern in ihrem ständischen Rang direkt unter Gott. Für uns ist das ungewöhnlich. Für Martin Luther war es eine Chance, die Eltern in Schutz zu nehmen. Er schreibt: „Seien sie gering, arm, gebrechlich und seltsam wunderlich“, so sind Sie zu ehren. Mutter und Vater ehren meint: ihnen dienen mit Hilfsleistungen, wo immer nötig und möglich.
Strophe 7 lautet: „Du sollst nicht ehebrechen.“ Luther spricht mit Keuschheit, Mäßigung und Zucht die sozialen Grundtugenden der ritterlich-höfischen Gesellschaft im Hochmittelalter an. In dem wir für die Unversehrtheit der Ehe einstehen, handeln wir ritterlich.
Auch Strophe 8 treten Eigenarten des Mittelalters hervor, wenn das Verbot des Stehlens gleichberechtigt zum Wuchern gestellt wird. Christen durften damals keine Zinsen nehmen. Auf Kosten von Schweiß und Blut der anderen sollen wir unser Geld nicht vermehren und Reichtum anhäufen.
Singen wir die Strophen 5,6, und 7.
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Was ist die Grundaussage der 10 Gebote?

Ich behaupte, dass jedes Gebot im Grunde dieselbe Aussage enthält; und zwar: Du sollst nicht begehren! Du sollst nicht andere Götter begehren, und sei es durch ein Abbild oder den Missbrauch des Namens! Du sollst nicht eine ruhelose Woche begehren! Du sollst nicht ein Leben ohne seine familiären Wurzeln begehren! Du sollst nicht begehren eines anderen Leben, eines anderen Ehepartner, eines anderen Recht und eines anderen Besitz. Ich behaupte, dass jeder einzelne von uns etwas begehrt. Ich sage es lieber in anderen Worten, die jedoch das gleich meinen: jeder einzeln von uns lebt aus dem Vergleich. Wer etwas begehrt, der hat den Blick immer auf sein Gegenüber gerichtet. Derjenige vergleicht sich permanent mit einem zu erfüllenden Idealzustand.
Schon in der Grundschule fällt es auf. Dort unterrichtete ich in den letzten Wochen die Dritt- und Viertklässler. Ständig ging es darum, wer besser ist, wer mehr erlebt hat und wer schöner malt. Auch bei Gespräch von Müttern höre ich oft nur Vergleiche: Wer öfters als mütterliches Taxi unterwegs ist; wer seinen Kindern schon das Essen mit ins Auto bringt. Gestern, nach der Wochenschlussandacht in Ückesdorf, sprach mich ein Gemeindemitglied an und meinte: Genau so ist es. Wir vergleichen uns permanent. Z.B. bei der Arbeit im Betrieb. Alles muss immer mehr sein, immer größer und schneller als die Konkurrenz. Aber steht die Firma wirklich vor dem Bankrott oder wird man vom Markt dazu gezwungen, immer schneller, höher, weiter zu sein als andere?
„Du sollst nicht aus dem Vergleich leben!“ lautet die Devise, die den Menschen von Gott aufgetragen wurde. „Du sollst nicht aus dem Vergleich leben!“ Wenn ich mich als Christ versuche daran zu halten, erfülle ich damit dreierlei:
1.    Ich achte mich als Mensch. Denn ich gebe mir selbst einen Wert und habe es nicht nötig, auf andere zu schauen.
2.    Ich achte meine Mitmenschen. Denn ich zolle Ihnen und ihrem Wesen Respekt und stelle mich nicht über sie.
3.    Ich achte bestehende Zustände. Denn ich vergleiche mich nicht ständig mit anderen und arbeite weiter daran, mein Leben und Dasein zu erfüllen.
“Du sollst nicht aus dem Vergleich leben”. Das ist das Gebot, mit dem eine Gemeinschaft gelingt. Das ist das Gebot, welches für eine Gemeinschaft lebensnotwendig ist. Jeder einzelne Mensch wird gewürdigt; jede Leistung und jede Erfahrung wird Wert geschätzt. Jedes persönliche Gespräch kann eine Bereicherung sein; mir neue Lebenswege eröffnen; andere Ideen liefern.
Nun werden einige Konfirmanden denken: „Super, jetzt kann ich die 10 Gebote und sage bei der Konfirmandenprüfung 10 Mal: Du sollst nicht begehren.“ Diesem Satz füge ich nun noch hinzu: „Du sollst nicht begehren. Das ist deine Freiheit.“ Wer nicht aus dem Vergleich lebt gewinnt eine unglaubliche Freiheit. Ich stelle mir einen Schüler vor, der um seine Fähigkeiten und Versäumnisse weiß. Wenn er vom Lehrer dran genommen wird, zeigt er nicht mit dem Finger auf andere: er stellt sich mit beiden Füßen hin und steht zu seinem geäußerten Wort, auch wenn andere ihm blöd kommen. Oder ich stelle mir ein Gespräch unter Freunden vor, das wie so oft in Krankheiten, Klagen und Beschwerden steckenbleibt. Warum nicht sich die Freiheit nehmen, ein neues, erfrischendes Thema anzuschneiden.
Wer nicht aus dem Vergleich lebt steht mit beiden Beinen im Leben. Der nimmt Gemeinschaft profitierend wahr. Der weiß um seinen Wert als Geschöpf Gottes. Wer nicht auf den Vergleich angewiesen ist, vertraut darauf, dass Gott über ihm steht. Dieser Mensch versucht nicht beständig auf dem Siegertreppchen zu landen. Das Siegertreppchen ist bereits durch Gott besetzt. Dieser Gedanke schenkt Freiheit. Ich fühle mich frei, jeden Tag neu an den 10 Geboten auszurichten. Ich fühle mich frei, mich von Erwartungen anderer zu lösen. Ich werde von Gottes Gnade beschenkt in meinem Versuch, ihm wohlzugefallen. „Du sollst nicht begehren. Das ist deine Freiheit.“ Mit diesem Lebensmotto fühle ich mich als Christ gut aufgehoben. Ich werde herausgefordert und gleichzeitig unterstützt in meinem Tun.
„Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all’ unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen“ (Philipper 4,7)
Singen wir die Strophen 8,9, und 10.
[Anmerkung: Den Gedanken des Vergleichs im Hinblick auf die 10 Gebote verdanke ich Pfarrer Dr. Udo Schwenk-Bressler, Bonn- Auferstehungskirchengemeinde.]

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