PREDIGT ÜBER DAS LIED „VATER UNSER IM HIMMELREICH (EG 344)
von Pfr. Andreas Schneider,
gehalten am Sonntag Trinitatis 2017 in der Jesus-Christus-Kirche, Witterschlick

Liebe Gemeinde,
über was reden Sie mit ihrem Friseur? Manchmal kommen ja ganz interessante, zuweilen seelsorgerliche Gespräche zwischen Kunde und Friseur zustande. Meisten ist ja da dann doch der Friseur, der zuhört und berät und einen mit seinen Lebensweisheiten bereichert.
Bei Martin Luther war es damals anders. Auch der kannte einen Friseur, genauer gesagt, einen Barbier, die damals nicht nur rasierten, sondern oftmals auch als Zahnärzte aktiv waren. Luthers Barbier, sein Name ist übrigens Peter Beskendorf, hat ihn einmal um Hilf gefragt, wie man denn betet. Und Martin Luther hat daraufhin eine Schrift verfasst, mit dem Titel: „Eine einfältige Weise zu beten, für einen guten Freund  – wie man beten soll – für Meister Peter Barbier“ - Die ersten Zeilen dieser Schrift lauten: „Lieber Meister Peter, ich geb’s euch so gut, wie ich’s habe und wie ich selber mich beim Beten halte.“
Damit gleicht die Situation Luthers und seines Barbiers ein wenig der, die wir eben als Evangelienlesung gehört haben, in der die Jünger Jesus darum bitten, ihnen das Beten zu lehren. Und als Antwort auf diese Bitte hat Jesus die Jünger das Vater unser gelehrt. Es ist ein Bittgebet, dass in seiner Reduzierung auf das Wesentliche so markant ist, dass es bis heute das zentrale Gebet von uns Christen ist, das wir eigentlich in jedem Gottesdienst, in jeder Andacht, bei Hochzeiten ebenso wie bei Beerdigungen, in dankbaren Momenten ebenso wie in größter Not beten. Damit dieses Gebet nicht einfach gedankenlos dahingeplappert wird, hat Martin Luther nicht nur eine Schrift hierzu verfasst, oder es in seinem Kleinen Katechismus ausgelegt, sondern darüber hinaus – wenn auch im Vergleich mit anderen Liedern sehr spät – in eine Liedform gebracht. Wobei auch unsicher ist, wie hier die alte alte des Tischsegen eines Mönchs aus Salzburg aus dem Jahr 1396, und die Melodie der Böhmischen Brüder aus dem Jahre 1531, genau mit Luthers Lied zusammen hängen. Es ist jedenfalls das einzige Lied Martin Luthers, von dem noch eine Originalschrift vorliegt, ein Manusskript, dem man ansieht, wie sehr Martin Luther hier an den einzelnen Worten gefeilt hat, da auf diesem Manuskript, immer wieder auch einzelne Wörter durchgestrichen sind.
Singen wir also einmal die erste Strophe:
344,1
Mit ihr erinnert Luther die Singenden daran, dass Gott unser Gebet will, ein Gebet, das in Gemeinschaft geschieht und dass eben nicht einfach so heruntergeleiert wird, sondern das von Herzensgrund geschieht. Dass der Mensch dort, wo er betet, ganz bei der Sache ist,
das ist ihm wichtig. Diesen Ratschlag gibt er übrigens auch seinem Friseur, wenn er schreibt:
„So auch ein guter, fleißiger Barbier: Er muss seine Gedanken, Sinne und Augen genau auf das Messer und auf die Haare richten und nicht vergessen, woran er sei, am Rasieren oder am Schneiden. Wenn er aber zugleich viel will plaudern und anderswohin denken oder gucken,
würde er einem wohl Maul und Nase, die Kehle dazu abschneiden.“
Wer betet, soll eben ganz bei Gott sein. Darum ist es uns, liebe Gemeinde, auch wichtig,
dass wir bspw. im Gottesdienst nicht fotografieren, weil es eben unser Einswerden mit Gott stört. Die folgenden 7 Strophen  haben dann Strophe für Strophe jeweils eine der 7 Bitten des Vaterunsers zum Thema. Lassen Sie uns einmal die Strophen 2-4 singen.
Singen von Strophe 2-4
Was diese ersten drei Bitten von den weiteren unterscheidet ist, dass sie alle auf Gott ausgerichtet sind. Sein Name soll geheiligt werden, sein Reich kommen und sein Wille geschehen. Auffällig bei Luthers Auslegung ist jedoch, dass alle diese auf die Zukunft ausgerichteten Bitten mit einem klarem Bezug zum Hier und Jetzt ausgelegt werden. Gottes Name wird nicht irgendwann geheiligt, sondern konkret dort, wo wir unser Leben in Gerechtigkeit und Heiligkeit leben und falscher Lehre wehren. Sein Reich bricht nicht irgendwann einmal in ferner Zukunft an, sondern konkret dort, wo der Heilige Geist uns Menschen dazu bewegt, mit unseren Gaben Kirche zu gestalten und sie trotz allem Bösen als Glaubensgemeinschaft erhält. Und Gottes Wille geschieht nicht erst im Paradies, sondern schon hier und jetzt dort, wo wir uns geduldig der Not der Welt stellen, und ihm folgen auch gegen so manchen Widerstand in uns selbst. Man spürt Luther bei diesen Zeilen ab,wie er darum bemüht ist, den Glauben zu erden, und dass das Gebet unser Leben verändert. Es geht nicht darum, eine fromme Leistung beim Beten zu absolvieren, sondern darum, dass Gott mein Leben durch das Gebet verändert. In den Strophen 5-8 vertont Luther die weiteren vier Bitten des Vater unsers, Bitten, die schon im Original konkret auf unser menschliches Leben und Miteinander Bezug nehmen.
Singen der Strophen 5-8
Auch in diesen Strophen schafft es Luther, konkret die einzelnen Bitten in ihrer Vielfalt zu entfalten. Brot ist mehr als nur Nahrung. Das, was wir täglich brauchen, ist Friede, Gesundheit, stabile Verhältnisse und ein sorgenfreies Leben, das von Güte geprägt ist.
Schuld vergeben, geschieht nicht mit einem einfachen „Tschuldigung“ wie es vielfach heute üblich ist. Sondern es geht darum, dem anderen zu dienen. Nur dort, wo ich erkenne,  dass ich dem anderen meinen „Versöhnungs-Dienst“ schuldig bin, werde ich auch bereit sein, um Entschuldigung zu bitten und anderen zu vergeben. Das Erlösen vom Übel – da ist Luther ganz nah bei dem Text seinen kleinen Katechismus – soll nicht nur gegenüber den Nöten dieser Welt geschehen, sondern gerade auch am Ende unseres Lebens, wenn der Tod unser Leben bedroht. Und wie im Kleinen Katechismus, in dem er schon das Wörtchen Amen übersetzte mit den Worten „Das ist gewisslich wahr“ widmet Martin Luther auch in diesem Lied dem Amen mit der letzten Strophe eine eigene Auslegung.

Liebe Gemeinde, auch wenn uns dieses Lied heute fremd geworden ist. Nach wie vor erstaunlich ist, wie klar und verständlich Martin Luther dem Menschen damals  das Vater unser nahegebracht hat. Wenn wir Martin Luther folgen wollen, dann müssen wir nicht unbedingt seine Lieder singen, sondern viel wichtiger ist doch, dass die Lieder, die wir heute singen uns beten helfen, uns helfen in diesen Raum zu gelangen, wo wir uns ganz auf Gott ausrichten können. Lieder, die uns helfen zu verstehen was Gott von uns möchte, was wir von ihm im Gebet erwarten dürfen, dass wir in dem Vertrauen beten, dass Gott durch unser Gebet in unser Leben hineinwirken kann. Aber hierzu bedarf es nicht nur der theologischen Erklärung, sondern eben auch, dass wir uns Zeit nehmen zum Gebet. Vielleicht nehmen Sie sich ja in der kommenden Woche einmal die Zeit, und singen alle 9 Strophen dieses Liedes für sich zu Hause. Und wenn Sie nicht singen können, lesen Sie sich doch einfach einmal laut dieses Strophen vor. Ich bin davon überzeugt, dass sie spüren werden, wie Beten ihr Leben verändert. Und wer weiß, vielleicht machen Sie dann die Erfahrung: Es ist noch viel besser mit Gott zu reden, als mit dem Friseur.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Als Quelle für diese Predigt diente unter anderem:
Manuela Rimbach-Sator, Oppenheim Predigt zum Reformationsgottesdienst 2012

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